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AKTUELLE RECHTSPRECHUNG

Versorgungsschaden. Herzinfarkt, Zugeständnis eines Diagnosefehlers. Überwiegende Wahrscheinlichkeit

Urteil des Bundesgerichts 4A_760/2011 vom 23. Mai 2012

Eine Erklärung über die eigene Verantwortung muss interpretiert werden, um zu bestimmen, ob es sich dabei um ein Schuldbekenntnis handelt. Im vorliegenden Fall der Anerkennung eines Diagnosefehlers unter Vorbehalt der natürlichen Kausalität zum Todesfall, lag weder eine Erklärung über die Verantwortung noch ein Schuldbekenntnis vor. Denn ein Diagnosefehler bedeutet noch keine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht und die Kausalität blieb ohnehin vorbehalten. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit setzt voraus, « que, d’un point de vue objectif, des motifs importants plaident pour l’exactitude d’une allégation, sans que d’autres possibilités ne revêtent une importance significative ou n’entrent raisonnablement en considération. » (E. 3.2). Inhaltlich gleich auf Deutsch: «Nach dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt ein Beweis als erbracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen.» (Urteil des Bundesgerichts 4A_220/2010 vom 11. Oktober 2010, E. 8.2.1). Zum ganzen Urteil

Kein Genugtuungsanspruch für das behindert geborene Kind («Wrongful life-Klage»)

Urteil des OGer Bern ZK 10 569 vom 2. Mai 2011

Die Frauenärztin C. hatte anlässlich einer Schwangerschaftsuntersuchung bei der Mutter A. pflichtwidrig versäumt aufgrund des erhöhten Risikos, dass die ungeborene Tochter B. an einer vererblichen Stoffwechselerkrankung leiden könnte, weitergehende pränatale Untersuchungen vorzunehmen. Tochter B. kam daraufhin behindert zur Welt. Es war beweismässig erstellt, dass die Mutter mit grösster Wahrscheinlichkeit abgetrieben hätte, wenn sie von der Erkrankung der Tochter gewusst hätte (zwar fand die Untersuchung erst nach der 12-Wochen-Frist von Art. 119 Abs. 2 StGB statt, A. hätte jedoch aufgrund sozialmedizinischer und embryo-pathischen Indikation straflos abtreiben können [Art. 119 Abs. 1 StGB]). Mutter und Tochter klagten gegen die Ärztin C. auf Genugtuung. Die Klage der Mutter auf Genugtuung in Höhe von CHF 50’000 (Wrongful birth-Klage) wurde von der Vorinstanz gutgeheissen, jene der Tochter (Wrongful life-Klage) hingegen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung wurde vom OGer Bern abgelehnt. Nach eingehender Analyse der Literatur und der ausländischen Rechtsprechung zum Wrongful life-Anspruch, prüft das Gericht, ob die Behinderung des Kindes als Schaden bzw. immaterielle Unbill von seinem Leben getrennt werden kann. Der gesundheitliche Zustand der Tochter wurde durch die beklagte Ärztin nicht beeinträchtigt. Nach den tatsächlichen Feststellungen gab es keine Möglichkeit, auf die genetisch bedingte Erkrankung Einfluss zu nehmen, diese zu verschlimmern, zu verbessern oder eine Heilung zu verzögern. Die Tochter hätte deshalb in keinem Fall gesund zur Welt kommen können. Der Schadensbegriff setzt jedoch gerade einen Vergleich mit einem gesundheitlichen Alternativzustand voraus, der gegenüber dem effektiven Zustand vorteilhafter wäre. Die vorliegend einzig bestehende Alternative der Nichtexistenz verhindert einen solchen Vergleich. Nach Ansicht des Gerichts liege deshalb bei der behindert geborenen Tochter keine Körperschädigung vor, weshalb auch ein Genugtuungsanspruch nach Art. 47 OR entfalle. Bezüglich des Anspruchs auf Genugtuung gestützt auf eine Persönlichkeitsverletzung gemäss Art. 49 OR hält das Gericht fest, dass die Entstehung des Lebens als solches nach der Schweizerischen Rechtsordnung nie widerrechtlich sein könne. Auch könne es keine vertragliche (Schutz-)Pflicht gegenüber dem Kind geben, dieses nicht zur Welt kommen zu lassen. Es fehle daher schon an der für einen Genugtuungsanspruch vorausgesetzten Widerrechtlichkeit bzw. an der Vertragsverletzung. Das behindert zur Welt gekommene (statt abgetriebene) Kind hat deshalb weder aus Delikt noch aus Vertrag einen Genugtuungsanspruch. Zum ganzen Urteil

Zuständigkeit des Handelsgerichts Zürich

Urteil des BGer 4A_504/2011 vom 24. Februar 2012

Die Klägerin hatte am Handelsgericht Zürich gegen die Haftpflichtversicherung X AG Klage auf Schadenersatz aus Körperverletzung (Mfz-Halter-Haftpflicht) erhoben und die X AG daraufhin Widerklage gegen die Klägerin. Das Handelsgericht erklärte sich gestützt auf aGVG/ZH 60, 63 und 64 (anwendbar aufgrund von ZPO 404 I) zuständig für die Klage, nicht aber für die Widerklage. Das Bundesgericht wies die von der X AG gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde ab. Zum ganzen Urteil

Bemerkung: Umstritten ist, ob das Handelsgericht ZH auch unter der neuen ZPO für Klagen nicht im Handelsregister eingetragener Kläger gegen Versicherungen zuständig ist.

Dauer der Erwerbstätigkeit

Urteil des BGer 4A_665/2011 vom 2. Februar 2012

Bestätigung der Rechtsprechung (s. BGE 136 III 310) zur Dauer der hypothetischen Erwerbstätigkeit. Diese dauert für den unselbständig Erwerbstätigen bis zum AHV-Alter (65/64). Für selbständig Erwerbende ist es je nach den Umständen des Einzelfalls (Beruf, Gesundheit, finanzielle Situation) möglich, von einer über das AHV-Alter hinaus andauernden Erwerbstätigkeit auszugehen. Zum ganzen Urteil

Behauptung einer Karriere; Kapitalisierungszinsfuss; Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten

Urteil 4A_127/2011 vom 12. Juli 2011

STATISTISCHE GRUNDLAGEN DER SCHADENSBERECHNUNG

Erwerbsschaden – Generelle Reallohnentwicklung

Der Nominal- und der Reallohnindex

Nachfolgend sind der Nominal- und Reallohnindex sowie die Aufzinsungsfaktoren für die generelle Reallohnentwicklung aufgeführt.

Anhand des Nominal- und Reallohnindexes lässt sich die generelle Lohnentwicklung (die Lohnentwicklung aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums) abschätzen.

Die Tabelle Aufzinsungsfaktoren enthält Faktoren für eine generelle Reallonentwicklung von 0.5 %, 1 %, 1.5 % und 2 %.

Nominal- und Reallohnindex (Quelle: Bundesamt für Statistik)
Aufzinsungsfaktoren für die generelle Reallohnentwicklung (Quelle: Schaetz-le/Weber, Kapitalisieren, Zürich 2001, N 4.29)


Erwerbsschaden – Individuelle Reallohnentwicklung

Die AHV-Einkommen 1999

Hilfsmittel zur Bestimmung der individuellen Reallohnentwicklung

Aus den AHV-Einkommen lässt sich die altersmässige individuelle Reallohnentwick-lung ableiten. Massgebend sind dabei die im Anhang 5 („Durchschnittliche Jahreseinkommen und Dezilwerte in Franken, nach Altersklasse, Geschlecht und Nationalität“) der AHV-Einkommen 1999 aufgeführten Zahlen (s. pdf unten). Setzt man die Werte jedes Dezils in ein Koordinatensystem mit der Altersgruppe als X-Achse und dem Jahreseinkommen als Y-Achse ein, sieht man, dass sich das Erwerbseinkommen logarithmisch entwickelt: Es steigt zuerst schnell und dann langsamer an um gegen Ende der Erwerbstätigkeit schliesslich zu sinken (dazu Schaetzle/Weber, Kapitalisieren, Zürich 2001, N 4.34 ff.). Aus diesen Zahlen lassen sich Aufschlagsfaktoren für die individuelle Reallohnentwicklung ableiten (s. pdf).

Zur Publikation BSV, Die AHV-Einkommen 1999, Statistiken zur Sozialen Sicherheit, Bern 2001 (letztmals geändert Oktober 2006)
Aufschlagsfaktoren für die individuelle Reallohnentwicklung (Quelle: Schaetz-le/Weber, Kapitalisieren, Zürich 2001, N 4.35)

LSE

Die Lohnstrukturerhebung des BSF

Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel für die Schätzung der zukünftigen Lohnentwicklung sind die Daten der LSE. Diese führen den monatlichen Bruttolohn nach unterschiedlichen Kriterien auf und bieten damit für zahlreiche Fallkonstellationen Vergleichswerte. Anhand der LSE-Tabellen lässt sich z.B. die Plausibilität der getroffenen Annahmen überprüfen.

Nachfolgend sind im Sinne einer Auswahl die Bruttolöhne nach Wirtschaftszweigen und Dienstjahren aufgeführt.

Zum Datensatz des BFS


Haushaltschaden

Die SAKE-Zahlen

Der Haushaltsschaden entspricht dem Wert der entgangenen Haushaltsarbeit, mithin des hypothetischen, durch das schädigende Ereignis nicht mehr möglichen Haushaltsaufwands. Diesen Wert berechnet man, indem man den entfallenden hypothetischen Haushaltsaufwand in Stunden mit dem Stundenansatz in CHF multipliziert. Mit den SAKE-Zahlen des BFS steht den Gerichten, Anwälten und Versicherungen ein hervorragender Datensatz zur Berechnung des Haushaltsaufwands zur Verfügung. Die Daten erlauben detaillierte Unterscheidungen, liefern aber auch Insgesamtwerte, mit denen eine pauschale und schnellere Rechnung möglich ist.

Die SAKE-Zahlen sind vor kurzem in der dritten Auflage erschienen. Es gibt nun die SAKE-Zahlen 2004, 2007 und 2010. Das folgende Dokument liefert einen Vergleich der Insgesamtwerte dieser drei Auflagen.

SAKE-Insgesamtwerte 2010, 2007, 2004 (Quelle BFS)

BFS, Stundenansätze für Haushaltsarbeit

Zum vollständigen Datensatz des BFS


Versorgungsquoten

HABE

Die Haushaltbudgeterhebung des Bundesamts für Statistik

In den HABE-Statistiken des BFS werden die Haushaltseinkommen und -ausgaben der Schweizer Haushalte aufgeführt und nach zahlreichen Kriterien gegliedert. Dieser Datensatz kann deshalb zur Bestimmung der Versorgungsquoten herangezogen werden: Er dient als Indiz für die Höhe der Fix- und der variablen Haushaltskosten sowie der Sparquote.

Zu den Resultaten der Haushaltsbudgeterhebung

Haushaltbudgeterhebung 2009 – Ergebnisse und Tabellen


Kapitalisieren

BSV-Rechnungsgrundlagen 2010

Die demographischen Rechnungsgrundlage des BSV bilden das Fundament jeder Kapitalisierung, bei der das Mortalitäts- oder Invaliditätsrisiko einer Person eine Rolle spielt. Sie sind deshalb für eine genauen und korrekte Personenschadenberechnung unabdingbar.

Das BSV hat seine Rechnungsgrundlagen nun aktualisiert. Wer einen zukünftigen Personenschaden berechnen will, muss sich auf diese neuen Rechnungsgrundlagen stützten, da sie eine aktuellere und genauere Prognose der Zukunft abgeben, als die bisherigen Grundlagen. So ist z.B. seit dem Jahr 2000 die Lebenserwartung der Männer massiv gestiegen.

Entsprechend werden im neuen capitalisator und in Leonardo12 die neuen Rechnungsgrundlagen integriert.

Zu den neuen Rechnungsgrundlagen s. Friedli/Schluep, Rechnungsgrundlagen 2010, CHSS 2011 80 ff.
Zum Zahlensatz