BGE 01.06.2011 – 8C_100/2011 und 8C_103/2011
Gärtnerin F., 1982 geboren, stand in einer Zusatzausbildung zur Floristin und war obligatorisch unfallversichert. Ende Oktober 2001 erlitt sie einen Verkehrsunfall. Sie lenkte einen Fiat Tipo, als ein Nissan Sunny vorschriftswidrig einmünden wollte. Trotz einer Bremsung prallte F. mit ihrem Fiat in die linke Seite des Nissan, dessen Fahrer in der Folge verstarb. Sie erlitt u.a. eine Hirnerschütterung, eine Thoraxkontusion und eine Distorsion der HWS. Die begonnene Ausbildung zur Floristin schloss sie im August 2003 erfolgreich ab und übte diese Tätigkeit aus (tw. unterbrochen von Arbeitslosigkeit).
Unter Hinweis auf persistierende Beschwerden (u.a. Kopfweh) meldete sie sich im Juni 2004 bei der IV an. Der UV-Versicherer holte zusammen mit dem Haftpflichtversicherer und der IV beim Begutachtungsinstitut Y. im 2007 ein polydisziplinäres Gutachten ein, stellte danach auf Ende März 2008 sämtliche Leistungen ein und verneinte einen Anspruch auf eine IV-Rente sowie auf eine Integritätsentschädigung (IE) infolge fehlender Adäquanz.
Die IV lehnte Mitte 2008 ebenfalls eine Rente ab, welcher Entscheid die Vorinstanz bestätigte mit der Begründung, es liege einzig eine mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzproblematik vor. Hinsichtlich der Leistungseinstellung des UV-Versicherers liess die Vorinstanz vorbringen, dass sich der weitere Anspruch auf Heilbehandlung und Taggeld ebenfalls danach beurteile, ob die noch bestehenden Beschwerden mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar seien.
Die Vorinstanz bejahte dies und bestätigte den Fallabschluss der UV.
Das Bundesgericht führte auf die Beschwerden von F. aus, dass es sich bislang noch nicht zur Frage geäussert habe, ob die Überwindbarkeitspraxis bei HWS-Distorsionsfällen auf die vorübergehenden UV-Leistungen Heilbehandlung und Taggeld sinngemäss anwendbar sein soll. Nach eingehendem Studium der Literatur, den Hinweisen darauf, dass eine IV-Rente eine klassische Dauerleistung sei, indessen das Taggeld einzig einen vorübergehenden Charakter aufweise und der Gesetzgeber die Überwindbarkeit einzig in die Definition der Erwerbsunfähigkeit gemäss Art. 7 Abs. 2 ATSG und nicht den Begriff der Arbeitsfähigkeit gemäss Art. 6 ATSG aufgenommen habe, stellt das Bundesgericht fest, dass keine Veranlassung bestehe, die Überwindbarkeitspraxis auf die UV-Heilbehandlung und die Taggeldleistungen anzuwenden (E. 2.2). Im Lichte des polydisziplinären Gutachtens habe der UV-Versicherer zu Recht die Leistungen eingestellt. Ebenfalls richtigerweise seien die Ansprüche auf eine IV-Rente und eine IE wegen fehlender Adäquanz abgelehnt worden. Offen bleiben könne, ob vorliegend die Adäquanzprüfung nach der Psycho- oder der Schleudertraumapraxis vorgenommen werde. Der Unfall sei dem mittleren Bereich zuzuordnen. Keines der Kriterien sei zu bejahen, selbst die besondere Eindrücklichkeit des Unfalls nicht, obzwar der beteiligte Fahrer verstarb. Zu beachten sei dabei, dass sich F. infolge einer Amnesie nicht an die Einzelheiten des Unfalles zu erinnern vermöge (8C_100/2011, E. 3). Betreffend des Anspruchs auf eine Rente der IV sei unumstritten, dass keine nachweisbaren Funktionsausfälle vorliegen würden. Zusätzlich liessen sich mittels bildgebender Verfahren keine Befunde erheben. Und richtigerweise habe die Vorinstanz erkannt, dass keines der Kriterien, die gegen die Überwindbarkeit sprechen, gegeben seien. Die aus psychiatrischer Sicht gestellte Diagnose einer mittelgradig depressiven Episode mit somatischen Symptomen stelle kein Komorbidität dar. Obzwar der Psychiater in diesem Zusammenhang von Unüberwindbarkeit der Schmerzsymptomatik spreche, vermöge dies nicht zu überzeugen, weil er diese Behauptung einzig mit dem Hinweis auf die fehlenden Ressourcen und Copingmechanismen in der Lebensgeschichte der F. untermauert habe. Daher habe die Vorinstanz richtig entschieden, wonach die Schmerzproblematik im Sinne der Rechtsprechung überwindbar und nicht invalidisierend sei (8C_ 103/2011, E. 3 und 4).